Bachblüten wachsen nicht an Bächen

Nahaufnahme von Blüten auf einer wilden Wiese
Vorsicht bei gesundheitsbezogenen Werbeaussagen für pflanzliche Mittel | © Aaron Burden, stocksnap.io

Zur Reichweite der Haftung bei unzulässiger gesundheitsbezogener Werbung

Bachblüten (gesprochen: „Bätsch-Blüten“) sind nach dem britischen Arzt Edward Bach benannt, der körperliche Krankheiten auf Störungen des seelischen Gleichgewichts zurückführte. Durch in Wasser eingelegte und gekochte Blüten stellte er Urtinkturen und durch Verdünnung dieser „Mothertinctures“ sogenannte Blütenessenzen her. Diese wiederum sollen bei der Überwindung negativer Gemütszustände helfen. Dass die sogenannte Bach-Methode (engl.: „Bach flower remedy system“) bis heute vergebens um wissenschaftliche Anerkennung ringt und unabhängige Studien eine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirkung nicht nachweisen können, bringt weder die zahlreichen Anhänger der Methode von diesem moralisierenden Therapieansatz ab, noch hindert der bislang fehlende Wirknachweis die kommerzielle Verwertung der Bachblütenessenzen.

Ein vergleichbares Pendant sind die besonders in Deutschland beliebten „Schüßler-Salze“, eine an homöopathischen Ideen angelehnte Therapiemethode auf Basis von zwölf Mineralien. Auch für deren Wirksamkeit mangelt es an Beweisen. Sowohl „Schüßler-Salze“ als auch die „Bach-Blüten“ erfreuen sich gerade im Internet großer Beliebtheit, nicht zuletzt aufgrund hoher Handelsspannen. Vor dem Hintergrund der immer strengeren Regulierung gesundheitsbezogener Aussagen im Allgemeinen gerät die Werbung für derartige Mittel, deren (gefühlte) Wirkungen mehr dem Glauben als nachweisbarer wissenschaftlicher Erkenntnis entspringen, zunehmend in den Fokus des Wettbewerbs- und Werberechts sowie gewerberechtlicher und gesundheitspolizeilicher Maßnahmen.

Vorgeschichten: Bachblüten in der jüngsten Rechtsprechung

Der Bundesgerichtshof hatte erst kürzlich (GRUR-Prax 2014, 419 – Original Bach-Blüten) entschieden, dass die Werbung mit „Original Bach-Blüten“ nicht schon per se als Werbung mit einer unzulässigen gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der VO (EG) 1924/2006 („Health-Claims-Verordnung“) unzulässig ist, sondern in Bezug auf die Gesundheit eine neutrale Aussage darstellt. Nun musste sich das Gericht im März dieses Jahres erneut mit einem Sachverhalt zur Werbung für diese Therapiemethode positionieren.

Ein Unternehmen bot über Apotheken sogenannte „Rescue“-Produkte auf „Bach-Blüten-Basis“ an, darunter die auf Alkoholbasis (27 Volumenprozent) hergestellten „ORIGINAL RESCUE TROPFEN“ bzw. ein „RESCUE NIGHT SPRAY“. Das Oberlandesgericht München hatte sich an der Bezeichnung „Rescue“ sowie dem nicht ganz entfernten gesundheitlichen Bezug gestört und diese Bezeichnung als allgemein unzulässige Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben für Alkoholika gemäß Art. 4 Abs. III der Health-Claims-Verordnung (HCV) verboten. Der BGH entschied sich, die Angelegenheit dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen (BGH, Beschluss vom 12.3.2015, I ZR 23/13), um unter anderem klären zu lassen, ob das Spray und die Tropfen „alkoholische Getränke“ seien oder nicht. Der BGH tendiert dazu, alkoholbasierte Tropfen und Sprays nicht als „Getränke“ im Sinne von Art. 2 der Health-Claims-Verordnung einzuordnen, da Getränke nach allgemeinem Sprachgebrauch „flüssige Lebensmittel seien, die aus Tassen, Gläsern oder ähnlichen Behältnissen getrunken werden“, während Sprays und Tropfen eher in geringen Dosen genossen werden. Ob sich die Art des Behältnisses und die Menge des Konsums als taugliches Abgrenzungskriterium eignen, ist jedoch zu bezweifeln. Bereits die Abgrenzung zu in Supermärkten verbreiteten 50ml-Mini-Alkoholika-Fläschchen erscheint schwierig, da diese in der Regel ohne zusätzliches Behältnis direkt aus dem Flakon verzehrt werden. Außerdem ist es denkbar, dass die Erwägungen des BGH zu einer Umgehung des strengen Werbeverbots mit gesundheitsbezogenen Angaben für Alkoholika führen könnten, indem findige Unternehmer größervolumige „Nachfüllbehälter“ zu den freigestellten Tropfen oder Sprays anbieten. Eine Antwort des EuGH auf diese wegen möglicher Grauzonen für Produzenten und Händler, aber auch für Verbraucherschutzorganisationen nicht unerhebliche Frage ist aufgrund der dortigen Arbeitsauslastung nicht so bald zu erwarten.

„Bezugsquellen für Bachblüten“: Werbung oder nicht Werbung, das ist hier die Frage

Eine ganz neue und interessante Entscheidung des BGH (GRUR 2015, 694 – Bezugsquellen für Bachblüten) betrifft einen im E-Commerce und der Welt des Onlinevertriebs verbreiteten Sachverhalt: Ein harmlos erscheinender Text auf einer scheinbar unabhängigen, nicht offen kommerziell orientierten Website informierte über die „Original-Bach-Blüten-Therapie“ und hob die Vorzüge bestimmter Produkte hervor. Neben einer Beschreibung der Herstellung der Bachblütentinkturen wurde darüber berichtet, dass Herstellung und Vertrieb der Original-Bachblütenkonzentrate durch die englische A.N. & Co erfolge, wobei diese am Original-Schriftzug „Bach™“ erkannt werden könnten. Garniert wurde der Text mit einer darunter stehenden, fast unverfänglichen Zeile: „Alle Bachblüten können Sie auch direkt bestellen bei Amazon“. Dabei war das Wort Amazon als Link ausgestaltet, der direkt auf eine Produktseite für Original Bach-Blüten-Produkte der N. GmbH führte. Diese ist für den Vertrieb der Produkte der A.N. & Co in Deutschland zuständig.

Allerdings enthielt der Text auch einige unzulässige nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel sowie einen Verweis auf ein angebliches „Institut für Bach-Blütentherapie Forschung und Lehre M S“, mithin nach Auffassung der Gerichte wettbewerbswidrige Werbeaussagen. Dies verärgerte einen Konkurrenten, der den Autor des betreffenden Beitrags auf Unterlassung in Anspruch nahm. Die Beklagte verteidigte sich mit dem Argument, die Aussagen stünden nicht im Zusammenhang mit dem Absatz von Waren, sondern dienten allein der Aufklärung der Öffentlichkeit.

Auch wenn diese Konstellation verschleierter Werbetexte und bezahlter, aber nicht gekennzeichneter Werbelinks rechtskonform arbeitenden Konkurrenten ein Dorn im Auge ist, scheiterten wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen diese mehr oder minder subtilen Formen der Absatzförderung bisher oft daran, dass den Betreibern solcher Websites kein eigenes wirtschaftliches Interesse am Absatz der Produkte nachgewiesen werden konnte. Die Gerichte lehnten somit das Tatbestandsmerkmal „geschäftliche Handlung“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ab (so noch das OLG Köln als Vorinstanz zum BGH), womit Ansprüche aus dem Wettbewerbsrecht hinfällig wurden.

Erfahrungsberichte, Produktvideos und Links: Wann haften Laien für Produktempfehlungen?

Wenn Journalisten, Blogger, YouTuber oder Teilnehmer spezialisierter Diskussionsforen bestimmte Produkte prüfen, sie positiv kommentieren und lobend darüber schreiben oder sprechen, fördern sie zwar objektiv den Absatz dieser Waren. Eine geschäftliche Handlung liegt aber erst dann vor, wenn bei objektiver Betrachtung die eigene Schreib- oder Redeleistung vorrangig, also vor allen anderen Zwecken, dem Ziel der Förderung des Absatzes oder Bezugs von Waren oder Dienstleistungen dient.

Mit seinem Urteil vom 11. Dezember 2014 (I ZR 113/13) hat der BGH klargestellt, dass gegen derartige Werbeformen – scheinbar neutraler Text (z.B. Erfahrungsbericht) kombiniert mit Produkt-Deeplink – vorgegangen werden kann, wenn eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls und seiner Begleitumstände ergebe, dass wie im vorliegenden Fall nicht lediglich allgemeine Bezugsquellen angegeben werden, sondern eine Empfehlung konkret für ein bestimmtes Produkt eines einzigen Anbieters ausgesprochen wird. Dies ist keine Neuigkeit, vergleichbar entschied der BGH bereits 1989, als er den objektiven Zusammenhang zur Absatzförderung nur eines bestimmten Unternehmens festgestellt hat, wenn ein Mieterverein für seine Mitglieder lediglich einen einzigen Rechtsanwalt zwingend vorgibt (BGH, WRP 1990, 282 – Anwaltsauswahl durch Mieterverein).

Entscheidend für erfolgreiches Online-Marketing für Gesundheitsprodukte wie die streitgeneigten Bachblüten ist, dass sich die Förderung fremden Wettbewerbs nicht unmittelbar aus den beanstandeten Aussagen selbst ergeben muss, sondern auch aus den Begleitumständen folgen kann.

Bei vergüteten Affiliate-Links hatte man bereits in der Vergangenheit unproblematisch ein eigenes wirtschaftliches Interesse und damit eine geschäftliche Handlung des Seitenbetreibers annehmen können. Ob es sich im vorliegenden Fall um einen Affiliate-Link handelte, ist den Entscheidungsgründen leider nicht zu entnehmen.

Wenn Journalisten empfehlen – gilt zweierlei Recht?

Der Annahme einer geschäftlichen Handlung steht nach Auffassung des BGH auch nicht entgegen, dass es sich bei dem Artikel um eine möglicherweise durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung handelt. Dies schließe eine wettbewerbsrechtliche Kontrolle der Aussage nicht aus. Bestimmte Privilegierungen gelten jedoch lediglich für Medienunternehmen wie Zeitungsverlage: Bei einem redaktionellen Beitrag einer Zeitschrift ist ein objektiver Zusammenhang mit der Förderung des Absatzes eines fremden Unternehmens zu verneinen, wenn der Beitrag allein der Information und Meinungsbildung seiner Adressaten dient (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2011, Az. I ZR 147/09 – Coaching-Newsletter). Grundrechtliche Wertungen seien ansonsten erst bei der Beurteilung der Unlauterkeit der Handlung zu beachten.

Für die Rechtspraxis bietet die BGH-Entscheidung vor allem die Erkenntnis, dass es stets von den Umständen des Einzelfalls und damit vor allem von der Gestaltung der „Werbung“ abhängt, ob eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vorliegt und ob dementsprechend wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche Anwendung finden. Je geschickter der Werbende es vermag, seine Werbung zu verschleiern, desto schwieriger wird es für Angreifer, diese Werbung zu untersagen.

Kein Rechtsmissbrauch – strenge Kriterien des BGH

Spannend – zumindest für die am Wettbewerbsprozess interessierten Juristen – war auch der Instanzenzug. Erstinstanzlich wurde die Klage vom Landgericht Köln wegen angeblichen Rechtsmissbrauchs als unzulässig abgewiesen, in der Berufung zum OLG Köln wurde die Klage schließlich wegen des Fehlens einer geschäftlichen Handlung der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG als unbegründet abgewiesen. Der BGH hob dieses Urteil nun auf und verwies den Rechtsstreit zurück.

Nach Auffassung des BGH war die Klage nicht rechtsmissbräuchlich und damit auch nicht unzulässig nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG, da nicht feststellbar war, dass die Klägerin ihre Ansprüche weit überwiegend aus sachfremden Motiven heraus geltend macht. Die Beklagte warf ihr vor, in einer Vielzahl von Verfahren stets gegen sie und nicht gegen andere mögliche Anspruchsgegner vorzugehen und vermutete dahinter eine Schädigungsabsicht. Allerdings erinnerte der Senat einerseits daran, dass er selbst ein knappes halbes Jahr zuvor ein Urteil in einer Sache gesprochen hat, in der die Klägerin gegen in den Vertriebsweg eingeschaltete Dritte vorging, mithin es sich lediglich um eine streitlustige Klägerin handele. Dagegen sei ja nichts einzuwenden. Andererseits standen auch in den von der Beklagten als rechtsmissbräuchlich beanstandeten Verfahren unterschiedliche Parteien auf Klägerseite, die teilweise unterschiedliche Ansprüche geltend machten. Auch hier bestätigt sich die entgegen der Rechtsprechung einiger Instanzgerichte zurückhaltende Anwendung von § 8 Abs. 4 UWG durch den Bundesgerichtshof gegenüber Klägern im Wettbewerbsrecht.

Fazit: Harte Zeiten für Online-Produktempfehlungen

Das Urteil dürfte Unternehmer freuen, die sich einer Flut von nur scheinbar redaktionellen oder „authentisch-privaten“ Produktempfehlungen aus der wenig subtilen Feder von „Marketingexperten“ gegenübersehen. Mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs für geschäftliche Handlungen wird es leichter, gegen unlautere Handlungen vorzugehen. An den Nachweis des überwiegenden Interesses an der Förderung des Absatzes von Dritten werden künftig keine zu hohen Anforderungen mehr gestellt werden. Die Betreiber von Websites hingegen, die sich mit einem Produkt auseinandersetzen und auf dessen Bezugsmöglichkeiten hinweisen, dürften riskanteren Zeiten entgegensehen und sollten gegebenenfalls die Aufmachung ihrer Website überarbeiten.

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