• Deutsch
  • Aktuelles
  • Musikrecht: Urheber muss bearbeitetem Foto auf Albumcover zustimmen

Musikrecht: Urheber muss bearbeitetem Foto auf Albumcover zustimmen

Für professionelle Fotografen stellt die aktuelle Streitwertentscheidung des Kammergerichts Berlin eine erhebliche Verbesserung dar.
Foto: Unsplash / Montage: Robert Handrow

Die Verwendung fremder Fotografien kann urheberrechtlich problematisch sein. Das gilt auch, wenn fremde Bilder bearbeitet werden. Doch wann genau benötigt man die Erlaubnis des Urhebers für eine Bearbeitung und wann nicht? Das Kammergericht Berlin ist dieser Frage in einem aktuellen Beschluss (25.11.2021, Az. 24 W 45/21) hinsichtlich eines Albumcovers nachgegangen. Dabei hat das Gericht auch eine wegweisende Entscheidung zum Streitwert von Unterlassungsansprüchen professioneller Fotografen getroffen.

Sachverhalt: Verwendung Fotografie ohne Zustimmung

In dem Fall hatte ein von uns vertretener Fotograf einige seiner Arbeiten zu Werbezwecken auf seiner Homepage veröffentlicht. Eines dieser Fotos tauchte plötzlich an unerwarteter Stelle wieder auf: auf dem Albumcover eines tunesischen Musikers.

Dieser hatte das Bild an einigen Stellen bearbeitet: Auf dem Original-Foto war ein altes Boot zu sehen, das am Rand eines Sees aufgelaufen war. An dieses Boot lehnte sich eine Frau in langem Abendkleid an. Der Musiker hingegen tauschte die Frau gegen einen Jungen mit einem Schwimmring aus, verdunkelte die Wolken am oberen Bildrand und fügte zwei Schriftzüge hinzu.

Er ließ das Bild danach über seinen Vertrieb bei mehreren Streaming-Anbietern als Albumcover einstellen. Der Fotograf ging gegen eine dieser Plattformen gerichtlich vor.

Kriterien für die „Bearbeitung“ der Fotografie nach § 23 Abs. 1 S. 1 UrhG

Es stellte sich nun die Frage, ob es sich bei den vorgenommenen Veränderungen um Bearbeitungen im Sinne von § 23 Abs. 1 S. 1 oder S. 2 UrhG handelte. Bearbeitungen eines Werkes dürfen grundsätzlich nur mit der Zustimmung des Urhebers veröffentlicht oder verwertet werden. Ausnahmsweise ist nach § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG aber keine Zustimmung des Urhebers erforderlich, wenn das neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand zum benutzten Werk aufweist.

Das Landgericht Berlin nahm in erster Instanz einen solchen hinreichenden Abstand an und verneinte eine zustimmungspflichtige Bearbeitung. Insbesondere durch den Austausch der Figuren sei nach Ansicht des Gerichts ein veränderter Gesamteindruck entstanden. Während das Ursprungsbild eher eine melancholische und ruhige Stimmung vermittelte, wirke das überabeitete Bild auf dem eher bedrohlich und beängstigend. Nach Ansicht des Landgerichts durfte das Albumcover daher ohne die Zustimmung des Fotografen veröffentlicht werden.

Das Kammergericht schob dieser extensiven Auslegung des Landgerichts dann zurecht einen Riegel vor. Entscheidend für die Beurteilung ist insbesondere der äußere Abstand der Fotografien zueinander. Von einem solch äußeren Abstand ist nach der Rechtsprechung nur dann auszugehen, wenn die die charakteristischen Züge des Ursprungswerkes nach dem Gesamteindruck gegenüber der Eigenart des neuen Werkes so stark verblassen, dass das Ursprungswerk nur noch rudimentär zu erkennen ist. Erscheint das ältere Werk allein als Anregung zu dem neuen Werk, ist die Bearbeitung ohne Zustimmung des Urhebers gestattet. 

Dies verneinte das Kammergericht im Ergebnis. Insbesondere verwies es darauf, dass der Gesamteindruck des Originalbildes durch die Bearbeitung gerade nicht verblasst sei. Auf unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten des Bildes kommt es nicht an:

„Zwar mag es sein, dass der Betrachter dem Lichtbild durch die Hinzufügungen eine andere Aussage als dem ursprünglichen Lichtbild entnimmt. Der angegriffene Beschluss beschreibt diesen Eindruck als „beängstigend“ im Gegensatz zum ursprünglichen Eindruck von Ruhe und Melancholie. Diese neue/weitere Aussage führt aber nicht dazu, dass das Lichtbild des Antragstellers ausreichend in den Hintergrund treten würde. Das veränderte Lichtbild bleibt trotz dieses neuen/weiteren Eindruckes eine bloße Bearbeitung des benutzten Lichtbildes, die keinen hinreichenden Abstand zu diesem wahrt.“

Die Musikstreaming-Plattform wurde daher zur Unterlassung verpflichtet.

12.000 Euro Streitwert bei Unterlassungsklagen professioneller Fotografen

Interessant ist auch die Streitwertentscheidung des Gerichts. Hier ging der Senat mit uns von einem Hauptsachestreitwert in Höhe von 12.000 Euro aus.

Bemerkenswert ist dies deshalb, weil zahlreiche Gerichte die Sportwagen-Entscheidung des BGH (BGH, Urt. v. 13.09.2018, I ZR 187/17) so deuten zu meinen, dass der Unterlassungsstreitwert bei einer rechtsverletzenden Benutzung von Fotografien stets bei 6.000 Euro liegt.

Was dabei allerdings verkannt wird: In der Entscheidung des BGH ging es um einen Fall, in dem ein Amateur das in Rede stehende Foto geschossen hatte. Das dortige Foto war ein Schnappschuss ohne jegliche kreative Komposition. Viele Instanzgerichte orientieren sich dennoch auch dann an der Entscheidung, wenn es um Fotografien professioneller Fotografen ging.

Dass deren Bilder selbstverständlich einen höheren wirtschaftlichen Wert haben, stellt nun das Kammergericht mit seiner Entscheidung erfreulich klar. Dies gilt erst recht, wenn die Fotos auch noch in einem eindeutig kommerziellen Kontext benutzt werden. 

Es bleibt im Interesse professioneller Fotografen zu hoffen, dass künftig auch andere Obergerichte diesem Vorbild folgen werden.

Dieser Beitrag wurde von Henning Fangmann und und Anne Stein (WissMit) erstellt.

Wenn der Beitrag interessant für Sie war, bleiben Sie einfach mit uns in Kontakt:
Twitter · LinkedIn · Xing · Newsletter · JD Supra 

Bei Rückfragen direkt anrufen: +49 (0) 341 39 29 78 90

Einen Kommentar schreiben

Tags

Limited Bewertung BDSG Ruby on Rails Education Großbritannien verlinkung Kündigung Werbekennzeichnung § 24 MarkenG wallart Online-Bewertungen technik Kekse britain Apps Wettbewerbsbeschränkung Internet § 4 UWG Verbandsklage Voice Assistant Datenschutzerklärung Touristik html5 Heilkunde Kritik Verpackungsgesetz Spitzenstellungsbehauptung Löschung OTMR Rufschädigung Kennzeichnungskraft Pseudonomisierung Notice & Take Down Beacons Kunsturhebergesetz drohnengesetz verlinken gender pay gap Domainrecht Selbstverständlichkeiten Schleichwerbung Nutzungsrecht Wettbewerbsverbot Plattformregulierung Suchalgorithmus recht am eigenen bild Infosec Content-Klau SEA Gaming Disorder ransomware informationspflichten entgeltgleichheit Meldepflicht Impressum E-Mail-Marketing Gesundheit Artificial Intelligence Geschäftsanschrift USPTO HipHop schule Digitalwirtschaft veröffentlichung Amazon Kleinanlegerschutz Exklusivitätsklausel Buchungsportal Event Datenschutzgrundverordnung 2014 unternehmensrecht Online Marketing Auslandszustellung FTC Adwords Twitter Handynummer Prozessrecht Algorithmus Transparenz Personenbezogene Daten Human Resource Management Sperrwirkung Lebensmittel Unlauterer Wettbewerb LG Köln Löschungsanspruch anwaltsserie Entschädigung Arbeitsunfall Geschäftsführer berufspflicht München Markeneintragung Hacking technology Schadenersatz Beschäftigtendatenschutz § 5 MarkenG Website E-Mobilität Online Kundenbewertung Email Markensperre Rechtsprechung Impressumspflicht YouTube Foto Videokonferenz Lizenzrecht E-Commerce Jugendschutzfilter Irreführung EuGH Art. 13 GMV Social Media Kinder Wettbewerbsrecht neu Kapitalmarkt Travel Industry Bildrecherche Custom Audiences Instagram Haftungsrecht ecommerce Bildung Europawahl Schöpfungshöhe fristen Erdogan Online-Portale Vergütungsmodelle Spirit Legal Crowdfunding Suchmaschinenbetreiber Bundesmeldegesetz Marke Sperrabrede arbeitnehmer DSGVO besondere Darstellung Sponsoren Vertragsgestaltung gdpr Filesharing Herkunftsfunktion Zahlungsdaten Insolvenz zugangsvereitelung Türkisch Presserecht Behinderungswettbewerb TeamSpirit privacy shield Blog AGB Referendar bgh Boehmermann NetzDG Arbeitsrecht online werbung ReFa Kennzeichnung Finanzaufsicht Hotellerie Journalisten Keyword-Advertising Team Spirit 5 UWG Recap Data Protection Bestandsschutz verbraucherstreitbeilegungsgesetz Diskriminierung Meinung Expedia.com Kundenbewertungen Anonymisierung Suchfunktion Osteopathie Niederlassungsfreiheit custom audience AfD Distribution Kartellrecht Geschmacksmuster hate speech EU-Kommission Sicherheitslücke Internetrecht Ferienwohnung Ring Kinderrechte Restaurant Stellenangebot Medienstaatsvertrag

Die Rechtsanwaltssozietät Spirit Legal berät in- und ausländische Unternehmen mit internationaler Ausrichtung. Unser fachlicher Beratungsschwerpunkt liegt in den Bereichen E-Commerce, Gesellschafts-, Wettbewerbs-, Marken-, IT- und Datenschutzrecht. Dank unserer Branchenerfahrung sind wir in rechtlichen Fragen der spezialisierte Ansprechpartner für Start-ups, Reiseunternehmen und die Hotellerie.

© Spirit Legal 2013 - 2023, alle Rechte vorbehalten

Förderung von Fachanwaltskursen & anwaltlichen Fortbildungen durch SAB Sachsen: