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Urheber­rechts­reform 2021: Anpassungen an die Erforder­nisse des digitalen Binnen­marktes im Überblick

Rechtsanwalt Thomas Busch stellt das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts 2021 zusammenfassend vor
Bild: Nadja Eckart-Vogel / Unsplash

1. Zusammenfassung

Nach langer Debatte traten am 07.06.2021 die Änderungen am Urheber­rechtsgesetz (UrhG) und am Verwertungs­gesellschaften­gesetz (VGG) in Kraft. Am 01.08.2021 wird außerdem das sog. „Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz" (UrhDaG) folgen. Der deutsche Gesetzgeber reagiert damit auf Vorgaben der EU und setzt die größte Reform des europäischen Urheberrechts der letzten 20 Jahre um – mit entsprechend umfassenden Auswirkungen für Urheber, Plattformen und Konsumenten.

Upload-Plattformen, wie YouTube oder Facebook, trifft nun ein umfassender Pflichten­katalog, den sie umsetzen müssen, um nicht für Inhalte zu haften, die Nutzer dort urheberrechts­widrig verbreiten. Teil dessen sind auch die sog. „Upload-Filter“, die vorab emotional diskutiert wurden. Sie sind nun kodifiziert und werden zur Anwendung kommen. Die Plattformen müssen daher die Inhalte, die Nutzer hochladen wollen, automatisiert prüfen. Gleichzeitig sollen Urheber Inhalte leichter entfernen lassen können und einen Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen haben.

Die Regelungen gehen aber noch weiter: z.B. gibt es nun ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Karikaturen, Parodien und Pastiches sind nun ausdrücklich gesetzlich erlaubt. Es gibt Anpassungen im Urheber­vertrags­recht und weitere Nutzungsbefugnisse für Bildung und Wissenschaft.

2. Änderungen im Verwertungs­gesellschaften­gesetz (VGG)

Als wohl wichtigste Änderung wird in §§ 51 - 51b VGG das Instrument der sog. Kollektiven Lizenzen mit erweiterter Wirkung (Extended Collective Licences, ECL) umgesetzt. Dadurch wird es Werknutzern ermöglicht, umfassende Lizenzen von repräsentativen Verwertungs­gesellschaften zu erwerben, und zwar auch für Werke von „Außenstehenden“, also solchen Rechteinhabern, die gar nicht in der Verwertungs­gesellschaft sind. Kollektive Lizenzen mit erweiterter Wirkung sind insbesondere dort hilfreich, wo sehr viele Werke genutzt werden sollen und in denen der individuelle Lizenzerwerb schwer oder nur mit hohen Transaktions­kosten durchsetzbar ist. Kreative und Verwerter können der kollektiven Lizenzierung aber jederzeit widersprechen. Verwertungs­gesellschaften müssen mindestens drei Monate vor der geplanten Nutzung darüber auf ihrer Internetseite informieren.

Die Informationspflicht bezieht sich aber nicht auf jedes einzelne Werk oder jeden Rechteinhaber. Es genügt, dass die Verwertungsgesellschaft lediglich die Sachverhalte umschreibt, die sie in die beabsichtigte kollektive Lizenz mit erweiterter Wirkung einbeziehen will. Das erfordert nach § 51a Abs. 1 Nr. 4 c) VGG nur die Angabe der Nutzungsarten, Werkarten sowie der betroffenen Gruppen von Rechtsinhabern. Die Websites der großen Verwertungsgesellschaften sollten Außenstehende also, so sie dies denn bleiben wollen, in nächster Zeit im Blick haben.

3. Änderungen im Urheber­rechtsgesetz (UrhG)

a) Umsetzung der SatCab-RL

Zum einen wurden die Vorgaben der Online-SatCab-Richtlinie in §§ 20b ff. UrhG umgesetzt. So werden die Regelungen zur „Weitersendung“ geändert. Die frühere Kabel­weiter­sendung gilt nun technologieneutral, insbesondere auch bei der Weitersendung im Internet.

Grundsätzlich hat der Urheber das Senderecht, mit dem er die Ausstrahlung in Radio und Fernsehen genehmigen kann. Der Urheber oder seine Verwertungs­gesellschaft kann nun Sendeunternehmen, Tonträger- oder Filmherstellern das Recht der Weitersendung einräumen. Mit diesem Recht der Weitersendung dürfen sie das gesendete Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms weitersenden. Das Recht kann nur von einer Verwertungs­gesellschaft geltend gemacht werden.

Wird ein Werk ausschließlich im Internet gesendet, kann der Urheber auch das Recht zur Weitersendung einräumen. Dieses muss nicht von einer Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Der Urheber kann eine eigene Vergütung fordern.

Spannend ist die Regelung in § 20c UrhG, nach der das sog. Ursprungslandprinzip implementiert wird. Sendeunternehmen, die ihre Programme auch online bereitstellen wollen (im Live- Stream oder nachträglich in der Mediathek), müssen die entsprechenden Rechte künftig nur noch für ihr Sitzland (hier also für Deutschland) erwerben, um die Inhalte in der gesamten EU anbieten zu können. Damit soll Geoblocking reduziert, wenn auch nicht vollständig abgeschafft werden.

b) Neuregelung der freien Bearbeitung

Im Nachgang der zahlreichen Metall-auf-Metall-Entscheidungen werden die Grenzen des Bearbeitungsrechts (§23 UrhG) neu geregelt. Die sog. Freie Benutzung bei genügendem Abstand zum bearbeiteten Werk (früher geregelt im nun aufgehobenen § 24 UrhG a.F.) findet sich nun § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG. Schutz und Schranke gelten nun auch explizit für Melodien, daneben aber auch für andere werkkonstituierende Elemente des musikalischen Schaffens, etwa den Rhythmus.

Auch eine Art der Freien Benutzung ist die Nutzung als Karikatur, Parodie und Pastiche. Diese ist nun explizit in § 51a UrhG geregelt und wird insbesondere im Zusammenhang mit Plattformnutzungen relevant.

c) Urhebervertragsrecht

Auch im Urhebervertragsrecht macht die DSM-Richtlinie Vorgaben, die im deutschen Urheberrecht in den §§ 32 ff UrhG aber bereits weitgehend umgesetzt waren. Neu ist etwa, dass die Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaft nunmehr zwingend ausgestaltet sind. Bei der Ausübung des Rückrufsrechts wegen Nichtausübung nach § 41 UrhG musste früher das Recht zwingend im Ganzen zurückgerufen werden. Nunmehr kann der Urheber entweder nur die Ausschließlichkeit des Nutzungsrechts oder das Nutzungsrecht insgesamt zurückrufen.

d) Text und Data Mining

Neu sind Schrankenregelungen für die automatisierte Analyse von digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen (§ 44b UrhG), für wissenschaftliche Zwecke gesondert geregelt in § 60d UrhG. Wer nicht damit einverstanden sein sollte, dass seine Inhalte durch Text und Data Mining ausgelesen werden, muss entsprechende technische Schutzmaßnahmen ergreifen.

e) Vervielfältigungen von gemeinfreien visuellen Werken

In § 68 UrhG ist nun geregelt, dass Vervielfältigungen von gemeinfreien visuellen Werken nicht durch verwandte Schutzrechte geschützt werden. Wie sich dies auswirkt, zeigt sich aber erst auf den zweiten Blick.

Werke werden grds. siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers gemeinfrei, d.h. sie dürfen grds. von jedem genutzt werden. Fotografiert jemand dieses Werk, entsteht regelmäßig ein Lichtbild nach § 72 UrhG, das wiederum geschützt war. An diesem Lichtbild hatte der Fotograf Rechte, mit denen andere davon ausgeschlossen werden konnten, das Lichtbild zu verbreiten. Das galt, obwohl das Fotografierte gemeinfrei ist.

Dies ändert § 68 UrhG. Das geschossene Foto von einem gemeinfreien Werk ist nicht mehr als Lichtbild geschützt und kann verwendet werden. Problematisch kann das bspw. für Museen sein, die Einnahmen generieren, indem sie Kataloge mit Lichtbildern ihrer Ausstellungsstücke vertreiben. Es war insofern auch bis dato nicht verboten, Fotos von gemeinfreien Werken zu verbreiten; sondern die Lichtbilder von anderen Fotografen. Zu beachten ist aber, bspw. im Falle von Gemälden alter Meister, dass die Museen im Rahmen ihres Hausrechts Aufnahmen verbieten können.

Die Verwertung (etwa das Posten) von Fotos, die unter Verstoß gegen das Hausrecht aufgenommen wurden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs möglicherweise eine Eigentumsverletzung (BGH, Urt. v. 19.12.2014 – V ZR 324/13 – Preußische Kunstwerke), jedenfalls aber eine Vertragsverletzung (BGH, Urt. v. 20.12.2018 – I ZR 104/17 – Museumsfotos) und daher zu unterlassen.

f) Leistungs­schutzrecht für Presseverleger

Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ist wieder da. Nachdem die vorherige Regelung im UrhG als nicht mit dem Unionsrecht vereinbar erklärt wurde, gilt nun das neue Leistungsschutzrecht in §§ 87f – 87k UrhG und schützt die wirtschaftlich-organisatorische und technische Leistung der Presseverleger bei der Erstellung von Presseveröffentlichungen. Ausnahmen gibt es insbesondere für enthaltene Tatsachen, die private oder nicht kommerzielle Nutzung und sog. Snippets, also die Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröffentlichung. Nach wie vor ist auch die Verlinkung auf Presseveröffentlichungen erlaubt.

4. Praktische Auswirkungen des UrhDaG auf Kreative, Rechteverwerter und Nutzer

Mit Einführung des Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes haften Plattformen nun in vielen Fällen für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte. Um der Haftung zu entgehen, müssen sie zahlreiche Pflichten erfüllen, etwa aktiv den Rechteerwerb verfolgen. Daneben gilt nun auch die Pflicht bestimmte Rechtsverletzungen im Vorhinein zu verhindern - dafür sind zB auch „Upload-Filter“ notwendig. Auch muss ein effektives Beschwerdesystem vorgehalten werden. Anforderungen, die wohl vor allem die etablierten Plattformen stemmen können.

Wie sich die Reform in der Praxis auswirkt, wird die Zeit zeigen. Im vorherigen Diskurs über die Reform hat sich gezeigt, dass letztlich keine der Parteien zufrieden ist. Derzeit zeichnet sich aber ab, dass vor allem etablierte Plattformen profitieren werden. Zwar gibt es Erleichterungen für kleine Plattformen und Start-Ups, dennoch bleibt die Gefahr, dass die Plattformlandschaft langfristig zementiert wird, weil die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen schlicht zu komplex und kostenintensiv für neue Wettbewerber wäre.

Für Nutzer und aus gesamtgesellschaftlicher Sicht ist das sog. „Overblocking“ problematisch. Die automatisierte Überwachung der Nutzeruploads und ihre Blockierung kann in Nutzerrechte eingreifen, wenn schwierig einzuordnende, aber im Ergebnis zulässige Inhalte gesperrt werden. Positiv kann es sich auswirken, dass sie kreative Leistungen mehr oder weniger rechtssicher nutzen können, wenn die Plattform dafür bezahlt hat.

Für Kreative kann der neue Direktvergütungsanspruch gegen die Plattformen darin münden, dass sie mehr Einnahmen generieren, weil die Plattformen verpflichtet werden, sich darum zu bemühen, vertragliche Nutzungsrechte zu erwerben.

Kreative müssen sich auch selbst darum kümmern, wenn sie nicht möchten, dass ihre Werke auf Plattformen stattfinden und der Plattform Informationen bereitstellen. Zudem kann es schwierig sein, nachzuvollziehen, wann eine Plattform haftet. Zahlreiche Ausnahmen und Rückausnahmen erschweren die Rechtsfindung für den Laien.

Sie müssen sich auch mit Verwertungsgesellschaften auseinandersetzen. Diese können bspw. im Rahmen kollektiver Vereinbarungen Rechte von Personen einräumen, mit denen sie gar keinen Vertrag darüber geschlossen haben. Die sog. „Außenstehenden“ müssen dieser Praxis erst widersprechen.

Nutzer werden sich vor allem mit den Beschwerdeverfahren der Plattformen auseinandersetzen müssen. Wird ihr Inhalt blockiert, können sie Beschwerde einlegen und begründet vortragen, warum ihr Inhalt nicht urheberrechtswidrig und daher nicht zu blockieren ist.

Gerade das kann problematisch für die Meinungsfreiheit werden. Um dezidiert vortragen zu können, müssten Nutzer unter anderem nachvollziehen können, wann Werke nicht verbreitet werden dürfen und wann gesetzliche Ausnahmen bestehen. Das ist für Laien oft nicht nur kompliziert, sondern kann auch extrem zeitaufwendig werden. Einmal blockiert, kann man die Tendenz bei Nutzern erwarten, einfach von der Veröffentlichung abzusehen.

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