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  • Bezirksgericht Prag, Az.: 33 T 54/2016, Linkhaftung in Tschechien

[Eine Übersetzung aus dem Tschechischen]

Entscheidungsgründe

Der Staatsanwalt der Bezirksstaatsanwaltschaft für Stadtbezirk Prag 4 erhob Anklage gegen die angeschuldigte Tschechische Piratenpartei wegen strafbarer Handlung, die er rechtlich qualifizierte als Straftat der Urheberrechtsverletzung, der mit dem Urheberrecht zusammenhängenden Rechte und der Rechte zur Datenbasis nach § 270 Abs. 1, Abs. 3 lit. a), b) StGB.

Abschließend stellte der Staatsanwalt in der Anklage fest, dass es sich in den im Tenor dieses Beschlusses genannten Punkten um mindestens 1205 audiovisuelle urheberrechtlich geschützte Filmwerke handelte, welche die Angeschuldigte unbefugt zugänglich machte, sie die Handlung in großem Ausmaß beging, wodurch sie den Geschädigten, die durch die Tschechische Anti-Piraterie-Union und JUDr. Křivánek vertreten werden, einen Schaden von großem Ausmaß in Höhe von CZK 5.522.100, den anderen Geschädigten einen Schaden in Höhe von CZK 792.500 verursachte.

Nach Studium des Aktenmaterials und der einschlägigen Rechtsprechung kam das Gericht zu dem Schluss, dass es angebracht ist, die Strafverfolgung der Angeschuldigten einzustellen.

Die Angeschuldigte bestreitet nicht, dass sie die gegenständlichen Server betreibt, sie lehnt es jedoch ab, dass sie durch die Handlung, die man der Angeschuldigten im Sinne des § 8 Gesetz Nr. 418/2011 GBl., über strafrechtliche Verantwortlichkeit juristischer Personen und über Verfahren gegen sie (im Folgenden nur SVerantG genannt) zurechnen kann, eine Straftat begangen hat, und weist auf die Tatsache hin, dass die einzelnen geschützten Werke auf anderen Servern untergebracht waren, wobei auf die Webseiten www.sledujemefilmy.cz (wirschauenfilme) und www.sledujuserialy.cz (ichschaueserien) nur sogenannte eingebettete Links zu auf anderen Internetservern veröffentlichten und gespeicherten Werken gesetzt wurden. Das Gericht befasste sich also im Rahmen der Vorverhandlung der Anklage u.a. auch mit der rechtlichen Seite der verhandelten Taten und kam zu den folgenden Schlussfolgerungen:

Was die Bestimmungen des Gesetzes Nr. 121/2000 GBl., Urheberrechtsgesetz (im Folgenden nur „UrhG“ genannt) angeht, umfasst das Urheberrecht gemäß § 10 UrhG ausschließliche Personen- und Eigentumsrechte. Was die Eigentumsrechte angeht, gehört zu ihnen auch das Recht auf Nutzung des Werks gemäß § 12 UrhG, dessen inhaltlicher Teil im Sinne des § 12 Abs. 4 lit. f) Urheberrechtsgesetz unter anderem auch das Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken ist (§ 18 UrhG). Gemäß § 18 Abs. 1 UrhG versteht sich unter öffentlicher Wiedergabe eines Werkes die Zugänglichmachung des Werkes in immaterieller Form, live oder aufgezeichnet, drahtgebunden oder drahtlos. Nach dem zweiten Absatz der zitierten Bestimmung ist die Wiedergabe eines Werkes auch die Zugänglichmachung des Werkes der Öffentlichkeit in einer Weise, dass jeder zu dem Werk vom Ort und zur Zeit seiner Wahl Zugang haben kann, insbesondere über Computer- oder ähnliches Netzwerk.

Der Gesetzgeber implementierte in § 18 UrhG die Regelung aus der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Gemäß Artikel 3 Abs. 1 dieser Richtlinie erteilt der Urheber die Erlaubnis zur öffentlichen Wiedergabe seines Werks. Der Inhalt dieser Richtlinie wurde auch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weiter präzisiert (siehe unten).

 

Weiter von Relevanz aus der Sicht der verhandelten Sache sind insbesondere folgende Gerichtsentscheidungen:

Im Beschluss des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik vom 27.02.2013, Aktenzeichen 8 Tdo 173/2013, konstatierte das Gericht, dass man als einen unerlaubten Eingriff in die gesetzlich geschützten Rechte im Sinne des § 270 Abs. 1 StGB auch solche Handlung des Täters betrachten kann, der im Internet in einem Raum, der für seine Internetseiten vorbehalten ist, Verweise unterbringt (sogenannte eingebettete Links), die einen unbefugten Zugang zu Vervielfältigungen der Werke (z.B. Film- und Fernsehwerke) ermöglicht, welche auf externen Servern untergebracht sind so, dass jeder zu ihnen mittels einer solchen Internetseite Zugang haben kann, ohne dazu die Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber zu haben, und das sogenannte Hosting mit der Möglichkeit Daten auf Server zu speichern nutzt. In einem solchen Fall hat nämlich der Täter (durch das Setzen eines sogenannten eingebetteten Links) den Zugang zu den Vervielfältigungen des Werkes ermöglicht, und zwar als eine Person, die kein Inhaber dieser Vervielfältigung bzw. keine andere berechtigte Person ist, was eine Handlung darstellt, die man als Verletzung der Urheberrechte zu den einzelnen Werken und Verletzung des Rechtes der öffentlichen Wiedergabe von Werken im Sinne des § 18 Abs. 1, 2 des Gesetzes Nr. 121/2000 GBl., über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, und über Änderungen einiger Gesetzte (Urheberrechtsgesetz), in der gültigen Fassung, betrachten muss.

Das Oberste Gericht konstatierte also, dass das Einfügen eines sogenannten eingebetteten Links zu woanders unbefugt veröffentlichten urheberrechtlich geschützten Werken, unter Erfüllung weiterer notwendiger Merkmale der Straftat, zur Geltendmachung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit führen kann. In diesem Fall betrieb der verurteilte Jugendliche selbst einen Webserver mit dem Inhalt der eingebetteten Links, er setzte auf den Server Verweise und übte diese Tätigkeit auf eine Weise aus, die bestimmte Gewinne auswies, wie sich aus dem Angebotsschreiben ergab, in dem er den Verkauf der gegenständlichen Website anbot.

Im Beschluss des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik vom 29.05.2013, Aktenzeichen 5 Tdo 271/2013, konstatierte das Gericht, dass das Wesen der Methode des eingebetteten Codes (des sog. Embeddings) ist, bestimmten Inhalt, der unbefugt an einem anderen Ort des kybernetischen Raums untergebracht ist, einer anderen Person zugänglich zu machen. Aus der Sicht der Rechtswidrigkeit dieser Handlung ist bedeutungslos, wer den jeweiligen Inhalt ins Internet stellte (veröffentlichte), auf den auf solche Weise verwiesen wird, wesentlich ist jedoch nur der Umstand, dass der Täter einen geschützten Inhalt weiteren Personen zugänglich machte. Ist ein solcher Inhalt ein urheberrechtlich geschütztes Werk, audiovisuelle Aufzeichnung, deren Vervielfältigungsstück oder ein anderer Schutzgegenstand, dann ist die Verwendung der Methode des eingebetteten Codes (des sog. Embeddings) zweifellos eine der Weisen der öffentlichen Wiedergabe des urheberrechtlich geschützten Werks, der audiovisuellen Aufzeichnung, deren Vervielfältigungsstücks oder eines anderer Schutzgegenstands, zu dessen Nutzung nur derjenige berechtigt ist, der Inhaber des urheberrechtlich geschützten Werks, der audiovisuellen Aufzeichnung oder eines anderen Schutzgegenstands ist oder der Inhaber der entsprechenden Rechte zum Werk, zur audiovisuellen Aufzeichnung oder zum anderen Schutzgegenstand nach dem Urheberrechtsgesetz ist. Deshalb, wenn eine Person, die kein Inhaber des urheberrechtlich geschützten Werks, der audiovisuellen Aufzeichnung oder eines anderen Schutzgegenstands bzw. keine berechtigte Person ist, die genannte Weise verwendet, welche technisch fähig ist, ein urheberrechtlich geschütztes Werk, eine audiovisuelle Aufzeichnung, deren Vervielfältigungsstück oder einen anderen Schutzgegenstand der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, greift sie damit unbefugt in die gesetzlich geschützten Rechte der Rechtsinhaber.

Zur Frage des sogenannten Embeddings vom geschützten Inhalt betonte das Oberste Gericht weiter, dass in Bezug auf öffentliche Wiedergabe des Werkes im Internet man zwischen einfachem Verweisen auf solche Werke (bzw. deren Vervielfältigungstücke) auf der einen Seite und deren Zugänglichmachung mittels Methode des eingebetteten Codes (des sog. Embeddings) auf der anderen Seite zu unterscheiden hat. Während im ersten Fall eine Person, die weder ein Urheber des Werks noch ein anderer Rechtsinhaber ist, lediglich über die Unterbringung des Werks (bzw. seiner Vervielfältigung) auf den entsprechenden Internetseiten informiert, ohne den Inhalt des Werks (bzw. seiner Vervielfältigung) auf Anforderung irgendeiner Person aus breiterer Öffentlichkeit vom Ort und zur Zeit ihrer eigenen Wahl, insbesondere über Computer- oder ähnliches Netzwerk, zugänglich zu machen, stellt im zweiten der genannten Fälle jegliche Verwendung der Methode des eingebetteten Codes (des sog. Embeddings) eine direkte Zugänglichmachung des Inhalts eines solchen Werkes (bzw. seiner Vervielfältigung) der Öffentlichkeit dar. Es handelt sich nämlich nicht um einen einfachen Verweis, denn der Nutzer jener Internetseite, welche die Verwendung dieser Methode ermöglicht (durch einen sog. eingebetteten Link), hat die Möglichkeit in der Regel durch eine einfache Handlung (sogenanntes Anklicken des Verweistextes mittels einer Anzeigevorrichtung) direkt zum Inhalt des Werkes (bzw. seiner Vervielfältigung) zu übergehen. Nach Auffassung des Obersten Gerichts ist also die Methode des eingebetteten Codes, sog. Embedding, ein direktes Mittel für öffentliche Wiedergabe des Werkes oder seiner Vervielfältigung (siehe identisch in der Fachliteratur Telec, I., Tůma, P. Autorský zákon. Kommentar. 1. Ausgabe. Prag: C. H. Beck, 2007, S. 228), weil sie ermöglicht, dass Mitglieder der Öffentlichkeit Zugang zum geschützten Werk bzw. seiner Vervielfältigung von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl, insbesondere über Computer- oder ähnliches Netzwerk, Zugang haben können (§ 18 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz).

Das Gericht fügt zu der genannten vom Obersten Gericht entschiedenen Sache hinzu, dass der Verurteilte außer Setzen von sog. eingebetteten Links ferner auch T-Shirts und Werbebuttons zum Verkauf anbot, welche Teile von Serien in der Form von Zitaten aus den Serien oder Abbildung der Helden aus den Serien The Big Bang Theory, How I Met Your Mother, My Name is Earl und Harry Potter und der Gefangene von Askaban beinhalteten, und zwar auf den von ihm betriebenen Webseiten, wo die eingebetteten Links untergebracht waren.

Was die Unterscheidung zwischen einfachem Verweisen und einem Verweisen mittels eingebetteten Links anbelangt, so muss man diese Schlussfolgerung als überholt betrachten, und zwar im Hinblick auf die folgende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, welche die genannte Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 auslegt. In dieser Hinsicht sind die drei folgenden Entscheidungen von Bedeutung.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Urteil vom 13. Februar 2014 (Sache C-466/12) entschieden, dass Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dahin auszulegen ist, dass keine Handlung der öffentlichen Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, wenn auf einer Internetseite anklickbare Links zu Werken bereitgestellt werden, die auf einer anderen Internetseite frei zugänglich sind.

In der Begründung seiner Entscheidung erklärte der EuGH, dass es zur öffentlichen Wiedergabe eines Werkes kommt, wenn es sich um eine Wiedergabe des Werkes (also seine Verwendung) handelt und zudem sich um eine Wiedergabe des Werkes der Öffentlichkeit handelt, also einer unbestimmten Zahl von Personen, welche zudem eine ziemlich große Zahl von Personen sein sollte. Ein wichtiger Teil der Begründung stellt dann die Auslegung des Begriffs des sog. neuen Publikums dar, der wichtig für die Beurteilung ist, ob es sich um eine relevante öffentliche Widergabe handelt. Entscheidend ist hier die Bestimmung des Zielpublikums der ursprünglichen Wiedergabe. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Zugänglichmachung der Werke mittels eines Hyperlinks nicht zur Wiedergabe der Werke einem neuen Publikum führte. Das Zielpublikum der ursprünglichen Wiedergabe waren nämlich alle potenziellen Besucher der betreffenden Seite; da feststeht, dass der Zugang zu den Werken auf dieser Seite keiner beschränkenden Maßnahme unterlag, war sie demnach für sämtliche Internetnutzer frei zugänglich. Da die betreffenden Werke auf der Seite, auf der sie ursprünglich wiedergegeben wurden, sämtlichen Nutzern einer anderen Seite, für die eine Wiedergabe dieser Werke über einen anklickbaren Link erfolgte, ohne Zutun des Betreibers dieser anderen Seite unmittelbar zugänglich waren, sind die Nutzer dieser von ihm betriebenen Seite demnach als potenzielle Adressaten der ursprünglichen Wiedergabe und daher als Mitglieder der Öffentlichkeit anzusehen, die die Inhaber des Urheberrechts hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche Wiedergabe erlaubten (Rn. 25 - 27 Entscheidungsgründe des Urteils des EuGH in Sachen Svensson).

Zu dem genannten Urteil ist jedoch anzumerken, dass es sich tatbestandsmäßig um eine Sache handelte, wo das Werk auf den ursprünglichen Server mit Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber, also auf eine legale Weise, hochgeladen wurde. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass es sich durch die Optik der Entscheidung des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik vom 29.05.2013, Aktenzeichen 5 Tdo 271/2013, um das sog. einfache Verweisen handelte.

Eine weitere relevante Entscheidung ist der Beschluss des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Oktober 2014 in Sachen BestWater International GmbH gegen Michael Mebes und Stefan Potsch (Rechtssache C-348/13). Mit dieser Entscheidung kann man die Unterscheidung zwischen einfachem und eingebettetem Verweisen im Sinne des Beschlusses des Obersten Gerichtes der Tschechischen Republik vom 29.05.2013, Aktenzeichen 5 Tdo 271/2013, als überholt betrachten. Nach dem Gerichtshof der Europäischen Union stellt die bloße Tatsache, dass ein auf einer Website öffentlich zugängliches geschütztes Werk in eine andere Website mittels eines Verweises unter Verwendung der Framing-Technik eingebettet wird, keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dar, soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet.

Tatbestandsmäßig handelte es sich um einen Fall betreffend unerlaubtes Einfügen eines Werbevideos eines geschäftlichen Mitbewerbers in der Form eines eingebetteten Links, wobei das Webevideo auf der ursprünglichen Website mit Erlaubnis des Urhebers untergebracht worden war.

Und schließlich die letzte Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, welche in Bezug auf die verhandelte Sache relevant ist und welche an die oben genannten Entscheidungen anknüpft, ist das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2016 in Sachen GS Media BV gegen Sanoma Media Netherlands BV und andere (Rechtssache C-160/15). Der Gerichtshof der Europäischen Union kam hier zu dem Schluss, dass Artikel 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft dahin auszulegen ist, dass zur Klärung der Frage, ob das Setzen von Hyperlinks auf eine Website zu geschützten Werken, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers frei zugänglich sind, eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt, zu ermitteln ist, ob die Links ohne Gewinnerzielungsabsicht durch jemanden, der die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung der Werke auf der anderen Website nicht kannte oder vernünftigerweise nicht kennen konnte, bereitgestellt wurden oder ob die Links vielmehr mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, wobei im letzteren Fall diese Kenntnis zu vermuten ist.

Des Weiteren weist das hiesige Gericht auf folgende Feststellungen des genannten Urteils hin:

Randnummer 47 der Entscheidungsgründe: Zum Zweck der individuellen Beurteilung des Vorliegens einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 muss daher, wenn das Setzen eines Hyperlinks zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk von jemandem vorgenommen wird, der dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgt, berücksichtigt werden, dass der Betreffende nicht weiß und vernünftigerweise nicht wissen kann, dass dieses Werk im Internet ohne Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers veröffentlicht wurde.

Randnummer 48 der Entscheidungsgründe: Wenn auch in einem solchen Fall der Betreffende das Werk der Öffentlichkeit dadurch verfügbar macht, dass er anderen Internetnutzern direkten Zugang zu ihm bietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 18 bis 23), handelt er doch im Allgemeinen nicht in voller Kenntnis der Folgen seines Tuns, um Kunden Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk zu verschaffen. Überdies konnte, wenn das fragliche Werk bereits ohne Zugangsbeschränkung im Internet auf der Website verfügbar war, zu der der Hyperlink Zugang gibt, grundsätzlich das gesamte Internetpublikum darauf bereits auch ohne diese Handlung zugreifen.

Randnummer 49 der Entscheidungsgründe: Ist dagegen erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.

Aus dem Vorstehenden kann man schließen, dass in dem Fall, wo ein eingebetteter Link zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk ohne Erlaubnis dessen Urhebers auf eine Website gesetzt wird, zu ermitteln ist, ob der Link mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurde. Wenn der Betreffende dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgte, ist zu vermuten, dass er über die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung des geschützten Werkes nicht wusste und auch nicht wissen konnte. Dahingegen, wenn die eingebetteten Links mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, ist die Kenntnis der rechtswidrigen Veröffentlichung zu vermuten. Ist erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.

In der Vorverhandlung befasste sich also das Gericht mit der Anklage auch im Hinblick auf die genannte rechtliche Analyse der Sache, wobei aus dem Aktenmaterial klar ersichtlich ist, dass die Webseiten www.sledujemefilmy.cz und www.sledujuserialy.cz nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurden (im Unterschied zu den vom Obersten Gericht entschiedenen Strafsachen).

Nach der Äußerung des damaligen Vorsitzenden der Angeschuldigten Herrn Lukáš Černohorský war der Zweck des Betreibens der Webseiten, ein funktionierendes Gleichgewicht zwischen den Rechten der Urheber, der Vertriebsfirmen und den Verbrauchern von urheberrechtlich geschützten Werken zu erreichen. Die Website bekannte sich dazu, dass ein Verweis kein Verbrechen ist, und missbilligte auch die Praktiken der Tschechischen Anti-Piraterie-Union (Blatt Nr. 150). Die Website wurde also ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben.

Es wurde zwar in der verhandelten Sache festgestellt, dass Textilbekleidung mit den Aufschriften „SLEDUJUSERIÁLY.CZ A NEHODLÁM PŘESTAT!“ (ichschaueserien.cz und will nicht aufhören!) verkauft wurde, man kann jedoch keine Verbindung der angeschuldigten juristischen Person mit dem Verkäufer dieser Gegenstände (Michal Běhal) aus den schriftlichen bzw. anderen Beweisen ableiten und der Zeuge Ivan Bartoš, der derzeitige Vorsitzende der Angeschuldigten, lehnt eine Verbindung ausdrücklich ab (Blatt Nr. 103).

Der Zeuge hat weiter angeführt, dass auf der Website keine Werbung untergebracht war, sondern lediglich ein Verweis auf eine Firma, welche wahrscheinlich eine Art Barter sei, wobei dieser durch einen anonymen Beiträger auf die Website habe gesetzt werden müssen. Auf diese Weise kam es nicht zur Bereicherung der Angeschuldigten (siehe polizeiliches Protokoll, Bezirkspolizeidirektion Prag III, SKPV, Abteilung für Wirtschaftskriminalität, Aktenzeichen KRPA-392558-20/TČ-2013-001391, auf Blatt Nr. 188 – 191).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Betrieb der gegenständlichen Webseiten nicht gewinnbringend war. Es ist kein Beweis im Aktenmaterial hinterlegt, der dies widerlegt bzw. in Frage stellt. Angesichts dieser Feststellung ist gegenüber der Angeschuldigten die Unkenntnis der rechtswidrigen Veröffentlichung an der ursprünglichen Stelle im Internet zu vermuten.

Diesbezüglich ergibt sich aus dem Aktenmaterial, dass die Angeschuldigte von der Tschechischen Anti-Piraterie-Union angesprochen und zur Entfernung des illegalen Inhalts von ihrer Website aufgefordert wurde, und zwar in den Schreiben vom 28.01.2013 und 02.05.2013 (Blatt Nr. 14 ff.).

Die Reaktion der Angeschuldigten auf diese Schreiben war ihre Aufforderung zum Nachweis der Vertretung der Subjekte, in deren Urheberrechte nach der Auffassung der Tschechischen Anti-Piraterie-Union eingegriffen worden sei (siehe Erklärung des Zeugen Bartoš und die Aufforderung auf Blatt Nr. 173). Auf diese Aufforderung der Angeschuldigten hat die Tschechische Anti-Piraterie-Union keineswegs reagiert; die Vollmächte der Urheberrechtsinhaber wurden von der Tschechischen Anti-Piraterie-Union erst in die Strafakte hinterlegt.

Wie schon oben ausgeführt (Rn. 49 in Rechtssache C-160/15), angesichts der Tatsache, dass die Webseiten nicht zum Zweck der Gewinnerzielung betrieben wurden, ist die Vermutung der Unkenntnis der Angeschuldigten damit zu widerlegen, dass man nachweist, dass sie wusste oder hätte wissen müssen, dass der gesetzte Hyperlink Zugang zu einem rechtswidrig im Internet veröffentlichten Werk verschafft, weil sie beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde.

In der verhandelten Sache wurde zwar die Angeschuldigte von der Tschechischen Anti-Piraterie-Union kontaktiert und auf den unzulässigen und rechtswidrigen Inhalt ihrer Website aufmerksam gemacht, die Tschechische Anti-Piraterie-Union hat sich jedoch auf keinerlei Weise als ein Subjekt, das befugt ist, im Namen der Urheberrechtsinhaber zu handeln, ausgewiesen. Im Verhältnis zur Angeschuldigten handelte also die Tschechische Anti-Piraterie-Union aus der Position eines Subjektes, das sich durch nichts von anderen Subjekten (sei es natürlichen oder juristischen Personen) unterscheidet. An dieser Schlussfolgerung kann auch Tatsache nichts ändern, dass die Tschechische Anti-Piraterie-Union durch ihre spezifisch orientierte Tätigkeit bekannt ist, die sie nur aufgrund der ihr von den Urheberrechtsinhabern erteilten Vollmächte wirksam ausüben kann. So kann man aus den isolierten Aufforderungen seitens dieses Subjektes, das die Vollmächte der Angeschuldigten trotz ihrer Aufforderung nicht vorlegte, die Widerlegung der Vermutung der Unkenntnis, wo die Person die gegebene Tatsache auch nicht wissen konnte, nicht schlussfolgern.

Die in der verhandelten Sache verfolgten Handlungen werden rechtlich qualifiziert als Straftat der Urheberrechtsverletzung, der mit dem Urheberrecht zusammenhängenden Rechte und der Rechte zur Datenbasis nach § 270 Abs. 1, Abs. 3 lit. a), lit. b) StGB. Um die grundlegenden Tatbestandsmerkmale dieser Straftat zu erfüllen, muss dabei Verschulden in Form von Vorsatz vorliegen. Bei juristischen Personen wird die Form des Verschuldens von der Form des Verschuldens jener Personen abgeleitet, deren Handlung den juristischen Personen im Sinne des § 8 SVerantG zurechenbar ist.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen befand das Gericht, dass angesichts der Absenz der subjektiven Seite der Personen, deren Handlung man der Angeschuldigten im Sinne des § 8 Abs. 1 lit. a), Abs. 3 SVerantG in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SVerantG zurechnen könnte, die strafrechtliche Verantwortlichkeit auch in Bezug auf die angeschuldigte juristische Person nicht geltend zu machen ist. Nach der Vorverhandlung der Anklage und des Aktenmaterials kam also das Gericht zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall Gründe für die Einstellung der Strafverfolgung nach § 172 Abs. 1 lit. b) StPO gegeben sind, da die verfolgten Handlungen keine Straftat darstellen.

Belehrung: Gegen diesen Beschluss können der Staatsanwalt und der Angeschuldigte Beschwerde einlegen, innerhalb von drei Tagen ab dem Tag der Bekanntgabe zum Stadtgericht in Prag mittels unterzeichneten Gerichts. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

 

Prag, am 16. Januar 2017

gez. JUDr. Jana Knoblochová

Senatsvorsitzende

 

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Ivana Uhrová

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