Erste Gerichtsentscheidung aus Tschechien zur Linkhaftung im Urheberrecht

Inhaltsverzeichnis

Im Sommer vergangenen Jahres sorgte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Linkhaftung für erhebliches Aufsehen, denn er entschied: Wer einen Link auf eine Webseite setzt, die Urheberrechtsverletzungen enthält, beispielsweise geklaute Bilder, kann auch selbst wegen Urheberrechtsverletzung haften.

Ende 2016 haben sich sowohl in Schweden (Bezirksgericht von Attunda), als auch in Deutschland (LG Hamburg) erstmals nationale Gerichte die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (GS Media) zu eigen gemacht und die Ansicht geteilt, dass das Setzen eines Links auf eine Webseite mit rechtswidrigen Inhalten, eine Urheberrechtsverletzung sein kann. Nun liegt auch eine erste Entscheidung zur Linkhaftung im Urheberrecht aus Tschechien vor.

Zwar handelt es sich dabei um eine strafrechtliche und keine zivilrechtliche Entscheidung, dennoch werden auch in dieser die vom EuGH entwickelten Kriterien herangezogen, um zu prüfen, ob eine (strafbare) Urheberrechtsverletzung vorliegt. Das Prager Gericht hat in diesem Fall eine Urheberrechtsverletzung verneint, weil die verlinkende Webseite, keine Gewinnerzielungsabsicht aufwies. Die Gewinnerzielungsabsicht ist aber ein zentrales Kriterium für eine Urheberechtsverletzung durch Verlinkung. Beim Betrachten der Entscheidungsgründe fällt zudem auf, dass das tschechische Gericht diesen Begriff der „Gewinnerzielungsabsicht“ durchaus anders ausgelegt hat als beispielsweise das Landgericht Hamburg.

Das Prager Bezirksgericht befasste sich nun auch mit der Linkhaftung.
Das Prager Bezirksgericht befasste sich nun auch mit der Linkhaftung.

Linkhaftung im Urheberrecht in Tschechien: Der Ausgangsfall

Zugrunde lag dem Urteil in Tschechien ein Rechtsstreit zwischen der  Tschechischen Anti-Piraterie-Union und der Tschechischen Piratenpartei aus dem Jahr 2011. Im Rahmen der Kampagne „Verlinkung ist kein Verbrechen“ starteten die tschechischen Piraten ein Webportal, das auf illegale Filme und TV-Shows aufseiten Dritter verlinkte. Ziel dieses Projekts war es, juristisch angegriffen zu werden und auf diese Weise zu klären, ob eine Linksetzung auf illegalen Content auch rechtswidrig sein kann. Über dieses Stöckchen ist die Anti-Piraterie-Union schließlich gesprungen und hat Strafanzeige gegen die tschechischen Piraten wegen der Verlinkungen erstattet. Diese mündete schließlich in der Prager Entscheidung.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Prager Gericht verneinte im Ergebnis eine Strafbarkeit der Linksetzer wegen Urheberrechtsverletzung und begründete das mit einer Subsumtion des Falles unter sämtliche in Betracht kommenden nationalen und europäischen Entscheidungen, die bei dieser Frage relevant sein könnten. Zuletzt eben auch mit der GS Media-Entscheidung des EuGH.

Nachdem das Prager Gericht zunächst die wesentlichen Erwägungen des EuGH darstellt, führt es anschließend aus:

„Aus dem Vorstehenden kann man schließen, dass in dem Fall, wo ein eingebetteter Link zu einem auf einer anderen Website frei zugänglichen Werk ohne Erlaubnis des Urhebers auf eine Website gesetzt wird, zu ermitteln ist, ob der Link mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurde. Wenn der Betreffende dabei keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgte, ist zu vermuten, dass er über die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Veröffentlichung des geschützten Werkes nicht wusste und auch nicht wissen konnte. Dahingegen, wenn die eingebetteten Links mit Gewinnerzielungsabsicht bereitgestellt wurden, ist die Kenntnis der rechtswidrigen Veröffentlichung zu vermuten. Ist erwiesen, dass der Betreffende wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm gesetzte Hyperlink Zugang zu einem unbefugt im Internet veröffentlichten Werk verschafft – weil er beispielsweise von dem Urheberrechtsinhaber darauf hingewiesen wurde –, so ist die Bereitstellung dieses Links als eine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 zu betrachten.

In der Vorverhandlung befasste sich also das Gericht mit der Anklage auch im Hinblick auf die genannte rechtliche Analyse der Sache, wobei aus dem Aktenmaterial klar ersichtlich ist, dass die Webseiten www.sledujemefilmy.cz und www.sledujuserialy.cz nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurden (im Unterschied zu den vom Obersten Gericht entschiedenen Strafsachen).

Nach der Äußerung des damaligen Vorsitzenden der Angeschuldigten Herrn Lukáš Černohorský war der Zweck des Betreibens der Webseiten, ein funktionierendes Gleichgewicht zwischen den Rechten der Urheber, der Vertriebsfirmen und den Verbrauchern von urheberrechtlich geschützten Werken zu erreichen. Die Website bekannte sich dazu, dass ein Link kein Verbrechen ist, und missbilligte auch die Praktiken der Tschechischen Anti-Piraterie-Union (Blatt Nr. 150). Die Website wurde also ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben.

Es wurde zwar in der verhandelten Sache festgestellt, dass Textilbekleidung mit den Aufschriften „SLEDUJUSERIÁLY.CZ A NEHODLÁM PŘESTAT!“ (ichschaueserien.cz und will nicht aufhören!) verkauft wurde, man kann jedoch keine Verbindung der angeschuldigten juristischen Person mit dem Verkäufer dieser Gegenstände (Michal Běhal) aus den schriftlichen bzw. anderen Beweisen ableiten und der Zeuge Ivan Bartoš, der derzeitige Vorsitzende der Angeschuldigten, lehnt eine Verbindung ausdrücklich ab (Blatt Nr. 103).

Der Zeuge hat weiter angeführt, dass auf der Website keine Werbung untergebracht war, sondern lediglich ein Verweis auf eine Firma, welche wahrscheinlich eine Art Barter sei, wobei dieser durch einen anonymen Beiträger auf die Website habe gesetzt werden müssen. Auf diese Weise kam es nicht zur Bereicherung der Angeschuldigten (siehe polizeiliches Protokoll, Bezirkspolizeidirektion Prag III, SKPV, Abteilung für Wirtschaftskriminalität, Aktenzeichen KRPA-392558-20/TČ-2013-001391, auf Blatt Nr. 188 – 191).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der Betrieb der gegenständlichen Webseiten nicht gewinnbringend war. Es ist kein Beweis im Aktenmaterial hinterlegt, der dies widerlegt bzw. in Frage stellt. Angesichts dieser Feststellung ist gegenüber der Angeschuldigten die Unkenntnis der rechtswidrigen Veröffentlichung an der ursprünglichen Stelle im Internet zu vermuten.“

Da die verlinkende Webseite keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgte, verneinte das tschechische Gericht schließlich eine Strafbarkeit:

„Die in der verhandelten Sache verfolgten Handlungen werden rechtlich qualifiziert als Straftat der Urheberrechtsverletzung, der mit dem Urheberrecht zusammenhängenden Rechte und der Rechte zur Datenbasis nach § 270 Abs. 1, Abs. 3 lit. a), lit. b) StGB. Um die grundlegenden Tatbestandsmerkmale dieser Straftat zu erfüllen, muss dabei Verschulden in Form von Vorsatz vorliegen. Bei juristischen Personen wird die Form des Verschuldens von der Form des Verschuldens jener Personen abgeleitet, deren Handlung den juristischen Personen im Sinne des § 8 SVerantG zurechenbar ist.

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen befand das Gericht, dass angesichts der Absenz der subjektiven Seite der Personen, deren Handlung man der Angeschuldigten im Sinne des § 8 Abs. 1 lit. a), Abs. 3 SVerantG in Verbindung mit § 9 Abs. 3 SVerantG zurechnen könnte, die strafrechtliche Verantwortlichkeit auch in Bezug auf die angeschuldigte juristische Person nicht geltend zu machen ist. Nach der Vorverhandlung der Anklage und des Aktenmaterials kam also das Gericht zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall Gründe für die Einstellung der Strafverfolgung nach § 172 Abs. 1 lit. b) StPO gegeben sind, da die verfolgten Handlungen keine Straftat darstellen.“

 Linkhaftung in Tschechien: Fazit

Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Rechtsprechung des EuGH nach und nach in einer Reihe von europäischen Mitgliedsstaaten Widerhall findet. Und das nicht nur im Zivilrecht, sondern auch im Strafrecht. Dabei fällt auf, dass das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht von den nationalen Gerichten durchaus unterschiedlich interpretiert wird.

 

Tags

Gaming Disorder E-Mobilität Rechtsanwaltsfachangestellte Heilkunde Jugendschutzfilter Preisangabenverordnung Corporate Housekeeping Wahlen fotos Ferienwohnung Geschäftsgeheimnis FTC Medienprivileg TikTok Algorithmus Transparenz 3 UWG selbstanlageverfahren Online wetteronline.de unternehmensrecht Suchalgorithmus Ring Email Hinweispflichten Textilien Webdesign Lebensmittel Soziale Netzwerke Hotelrecht Kunsturhebergesetz informationspflichten Resort Wettbewerbsrecht Hausrecht Impressumspflicht Suchmaschinen Finanzierung Handynummer E-Mail Boehmermann Überwachung Pseudonomisierung Deep Fake Produktempfehlungen Notice & Take Down Rufschädigung Datenschutzbeauftragter Tipppfehlerdomain ePrivacy Kinder EU-Textilkennzeichnungsverordnung Radikalisierung Bußgeld Osteopathie München recht am eigenen bild Verbandsklage total buy out Asien Data Protection information technology Instagram data Fotografie Hotelsterne Verpackungsgesetz § 24 MarkenG Autocomplete Geschmacksmuster Insolvenz Urteile Telefon Crowdfunding verlinken E-Commerce Unternehmensgründung technik Authentifizierung E-Mail-Marketing Messe Geschäftsführer Störerhaftung Dynamic Keyword Insertion Google ecommerce HipHop brexit Microsoft Hotelkonzept Linkhaftung Vergütung Jahresrückblick Schadenersatz hate speech transparenzregister Markenrecht Irreführung Zahlungsdaten online werbung Art. 13 GMV Bewertung Abmahnung Wettbewerb Hotel SSO Social Engineering UWG Xing Big Data Stellenausschreibung verbraucherstreitbeilegungsgesetz Consent Management PSD2 Freelancer PPC Bildrechte Onlineshop Referendar EuGH BDSG arbeitnehmer bgh Wettbewerbsverbot Kekse Gesichtserkennung Sperrabrede Extremisten EU-Kommission § 4 UWG Prozessrecht IT-Sicherheit #emd15 Konferenz Europa Arbeitsvertrag Urheberrecht Mitarbeiterfotografie #bsen Schadensfall ISPs Privacy Sitzverlegung Spielzeug Limited ransom Schadensersatz Datenschutz Kundenbewertung Customer Service Website Panoramafreiheit Interview Türkisch events HSMA Direktmarketing Team Spirit Erdogan Digitalwirtschaft Dokumentationspflicht besondere Darstellung Markeneintragung Suchfunktion Creative Commons Suchmaschinenbetreiber Schöpfungshöhe Presse Compliance Expedia.com anwaltsserie Datenschutzerklärung Preisauszeichnung Abhören Unterlassungsansprüche Internetrecht SEA DSGVO schule NetzDG Weihnachten Identitätsdiebstahl whatsapp Analytics EC-Karten zugangsvereitelung Registered Human Resource Management html5 Twitter Einwilligungsgestaltung Handelsregister CRM Hacking Kosmetik Bundeskartellamt Apps Medienrecht Evil Legal Europawahl Trademark

Die Rechtsanwaltssozietät Spirit Legal berät in- und ausländische Unternehmen mit internationaler Ausrichtung. Unser fachlicher Beratungsschwerpunkt liegt in den Bereichen E-Commerce, Gesellschafts-, Wettbewerbs-, Marken-, IT- und Datenschutzrecht. Dank unserer Branchenerfahrung sind wir in rechtlichen Fragen der spezialisierte Ansprechpartner für Start-ups, Reiseunternehmen und die Hotellerie.

© Spirit Legal 2013 - 2024, alle Rechte vorbehalten

Förderung von Fachanwaltskursen & anwaltlichen Fortbildungen durch SAB Sachsen: